Weiterhin Ungereimtheiten bei der Vorfälligkeitsentschädigungsberechnung

Von Prof. Dr. Klaus Wehrt

Aktualisiert: 04. September 2006

Wenn die Aufdeckungswahrscheinlichkeit hoch ist, dann sind die Tricks subtiler.

Da Vorfälligkeitsentschädigungen schon bei ganz normalen privaten Baufinanzierungen nicht selten im fünfstelligen Bereich liegen, lohnt es sich zu fragen, ob die Zinsentschädigung rechtmäßig berechnet wurde.

Vorzeitige Ablösung ohne Vorfälligkeitsentschädigung

Es gibt Fälle, unter denen der Darlehenskunde für seine vorzeitige Darlehensablösung überhaupt keine Entschädigung schuldet, manche Banken gleichwohl eine verlangen.

Verbraucherdarlehen ohne Besicherung durch Immobilie oder Schiff können ab sechs Monate nach Auszahlung mit dreimonatiger Frist entschädigungsfrei zurückgeführt werden (§ 489 I Nr. 2 BGB). Unbesichert sind zumeist Festzinsdarlehen, aufgenommen zur Finanzierung von Fondsanteilen.

Schwebend unwirksame Immobiliendarlehensverträge können einfach widerrufen oder rückabgewickelt werden, eine Vorfälligkeitsentschädigung fällt für diese vorzeitige Rückzahlung nicht an. Im Gegenteil: häufig entstehen mit dem Widerruf sogar noch Ansprüche gegen den Darlehensgeber wegen überhöhter Zinsforderungen während der Vergangenheit. Zwei Formen schwebend unwirksamer Darlehensverträge sind verbreitet:

  1. Das Darlehen wurde über einen Vermittler außerhalb der Geschäftsräume der Bank vereinbart. Eine Widerrufsbelehrung erfolgte entweder überhaupt nicht oder in unzureichender Form (z.B. nach dem Verbraucherkreditgesetz an Stelle des Haustürwiderrufsgesetzes). Wegen fehlerhafter Widerrufsbelehrung können derartige Verträge während ihrer Laufzeit immer noch widerrufen werden.
  2. Der Darlehensvertragsabschluß erfolgte nicht über den Darlehensnehmer selbst, sondern über einen zwischengeschalteten Treuhänder, der mit notarieller Vollmacht ausgestattet gleichzeitig Darlehensvertragsabschluß und Immobilienkauf für den Darlehennehmer organisierte. Wenn dieser Treuhänder kein Rechtsanwalt war, so liegt mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Verstoß gegen das Rechtsberatungsgesetz vor, was die Unwirksamkeit des seinerzeit geschlossenen Darlehensvertrags zur Folge haben kann.

Doch auch die Banken haben bisweilen das Interesse an einer vorzeitigen Beendigung der Darlehensbeziehung. Dabei ist die Kündigung des Darlehens nur der letzte Schritt. Im Vorfeld steht häufig die Aufforderung an den Kunden, das Darlehen zurückzuzahlen. Vergißt die Kreditgeberin dabei, das Thema Vorfälligkeitsentschädigung ins Spiel zu bringen, und läßt sich der Bankkunde sofort auf das Rückzahlungsangebot ein, so ist ein Aufhebungsvertrag ohne Vorfälligkeitsentschädigung zustande gekommen. Eine Zinsentschädigung wird damit nicht geschuldet.

Umstritten ist, ob für die vorzeitige Beendigung einer Zwischenfinanzierung beim Bausparvertrag oder die vorzeitige Beendigung eines Lebensversicherungsdarlehens wegen Eintritt des Versicherungsfalls eine Vorfälligkeitsentschädigung verlangt werden darf.

Vorzeitige Ablösung mit reduzierter Vorfälligkeitsentschädigung

In anderen Fällen ist die Vorfälligkeitsentschädigung nur in ihrer Höhe übersetzt. Die höchstrichterlichen Vorgaben zur Berechnung der Entschädigung gelten strenggenommen nur für solche vorzeitigen Darlehensablösungen, die entweder durch den Verkauf der finanzierten Immobilie bedingt sind, oder deshalb anfallen, weil der bisherige Darlehensgeber einer Ausdehnung des Kreditrahmens widersprach, eine andere Bank jedoch bereit war, diese zusätzlichen Mittel zu finanzieren. In fast allen übrigen Fällen darf das Kreditinstitut eine vorzeitige Rückführung des Darlehens ablehnen oder eine Vorfälligkeitsentschädigung bis an die Grenze der Sittenwidrigkeit verlangen – das ist ungefähr das Doppelte einer angemessenen Entschädigung. Das gilt insbesondere für die Fälle einfacher, durch Zinsvorteile bedingter Umfinanzierungen. Doch im Regelfall versuchen die Banken mit ihren Berechnungen, den Kunden die Einhaltung der höchstrichterlichen Vorgaben zu suggerieren. Damit binden sie sich gleichzeitig an die höchstrichterlichen Vorgaben und sind ebenso auf die angemessene Vorfälligkeitsentschädigung beschränkt:

  1. Ist der effektive Jahreszinssatz auf dem Verbraucherdarlehensvertrag nicht angegeben, so verzinst sich das Darlehen nur noch mit vier Prozent. Die Vorfälligkeitsentschädigung überbrückt für die Restlaufzeit des Darlehens typischerweise die Differenz zwischen Vertragszinssatz und einem aktuellen Wiederanlagezinssatz im Hypothekenpfandbriefgeschäft. Diese Differenz ist zumeist geringer, wenn als Vertragszinssatz ein Zinssatz von nur vier Prozent anzusetzen ist. Rückerstattungsansprüche können in diesem Fall auch noch für die Vergangenheit geltend gemacht werden.
  2. Darlehensverträge mit Zinsbindungsfristen von mehr als zehn Jahren, können spätestens zehneinhalb Jahre nach der Vollauszahlung des Darlehens entschädigungsfrei gekündigt werden (§ 489 I Nr. 3). Bei Rückzahlungen vor dem Erreichen dieses Zeitpunktes darf sich die Entschädigung nur auf die Zeitspanne bis zu diesem Zeitpunkt beziehen, nicht jedoch auf den Zeitraum bis zum Ende der Zinsbindungsfrist.
  3. Sondertilgungsrechte sind nach herrschender Meinung zu berücksichtigen. Wurden im aktuellen Jahr noch keine Sondertilgungen vorgenommen, so ist die erste Sondertilgung direkt für den Rückzahlungstermin zu verbuchen. Weitere Sondertilgungsmöglichkeiten für die darauffolgenden Kalenderjahre sind jeweils auf den 01.01 zu verbuchen. In manchen Fällen erlauben die Gerichte auch, dass nicht wahrgenommene Sondertilgungen der Vergangenheit zum Rückzahlungstermin nachgeholt werden.
    Nach einer Sondertilgung ändert sich die monatliche Darlehensrate nicht. Insbesondere bei endfälligen Darlehen interpretieren die Darlehensgeber das Sondertilgungsrecht des Kunden häufig fehlerhaft als Teilablösungsrecht mit entsprechend abgesenkter monatlicher Rate. Dadurch wächst die Vorfälligkeitsentschädigung an.
  4. Als Stichtag für die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung ist der Tag heranzuziehen, an dem das Kreditinstitut die Darlehensvaluta tatsächlich zurückerhält und damit die entsprechenden Wiederanlagegeschäfte tätigen kann. In Zeiten steigender Zinsen sind insbesondere solche Abrechnungen zu korrigieren, die bereits vor der eigentlichen Darlehensablösung erstellt wurden. Sie weisen eine zu hohe Vorfälligkeitsentschädigung aus.
    Kunden mit gekündigten Darlehen sollten besonders aufpassen, da bei ihnen Kündigungszeitpunkt und tatsächlich erfolgende Rückzahlung wegen bestehender Zahlungsschwierigkeiten besonders weit auseinanderfallen können. Für die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung kommt es nach herrschender Meinung auf den Zeitpunkt der Rückzahlung des Darlehens, nicht auf den Zeitpunkt der Kündigung an.
  5. Der Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung nach dem allgemein üblichen Aktiv-Passiv-Vergleich ist auf der einen Seite der nominale Vertragszinssatz (nicht der Effektivzinssatz) auf der anderen Seite als Wiederanlagerenditen die Verzinsung von Hypothekenpfandbriefen entsprechend der Bundesbankstatistik zugrunde zu legen. Angebotsrenditen des Hypothekenpfandbriefgeschäftes wie bspw. dem PEX-Index wurden eine eindeutige Absage erteilt.
  6. Die Vorfälligkeitsentschädigung ist um ersparte Risiko- und Verwaltungskosten zu kürzen. Angemessene Sätze für ersparte Verwaltungskosten bewegen sich bei 100 EUR pro Jahr. Bei nicht rückzahlungsgefährdeten Darlehen beträgt der jährliche Risikokostenabzug 0,10 % der Darlehenssumme, bei rückzahlungsgefährdeten Darlehen können erheblich höhere Sätze in Abzug gebracht werden.
  7. Bei Disagiodarlehen ist wie unter Punkt 5) dargestellt vom verbilligten nominalen Darlehenszinssatz auszugehen, dafür entfällt aber für die Zeit bis zum Ende der Zinsbindungsfrist der Anspruch auf die Erstattung des noch unverbrauchten Disagios. Dieser Anspruch lebt aber für Darlehen mit Laufzeiten über zehneinhalb Jahren oder Darlehen ausgestattet mit Sondertilgungsrechten in Teilen wieder auf.

Das Thema „Vorfälligkeitsentschädigung“ bietet somit immer noch ein weites Terrain für „Scharmützel“ zwischen Bank und Kunde.

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Prof. Dr. Klaus Wehrt ist finanzmathematischer Experte für alle Fragen der Immobilienfinanzierung, insbesondere der Überprüfung von Vorfälligkeitsentschädigung, Professor für Volkswirtschaftslehre und Statistik, Buxtehude-Immenbeck.

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