Feherlhafte Abrechnung von Nichtabnahmeentschädigungen bei Forwarddarlehen

Von Prof. Dr. Klaus Wehrt

Aktualisiert: 04. September 2009

I. Die Entstehung eines Marktes für Forwarddarlehen

Während man früher zur Sicherung günstiger Zinssätze einfach auf die günstigen Marktkonditionen umfinanzierte und für den Rest der noch nicht absolvierten Zinsfestschreibung des Altdarlehens zumeist nur eine kleine Vorfälligkeitsentschädigung – häufig zwischen 1-5% des Darlehenskapitals –aufwenden musste, so zahlt heute bei einer Umfinanzierung mit Zustimmung des Bundesgerichtshofes ein sog. Vorfälligkeitsentgelt.

Was unterscheidet Entgelt und Entschädigung? Die Entschädigung dient dem Ersatz des wirtschaftlichen Nachteils der Darlehensgeberin – zu viel Verlangtes ist zu erstatten -, das Entgelt stellt dagegen einen frei aushandelbaren Preis dar, der nur an der Sittenwidrigkeitsgrenze (Wucher) überprüft werden kann, die aber liegt bei einer 100 Prozent-Überschreitung des wirtschaftlichen Nachteils. Damit darf die im Zuge einer Umfinanzierung geschuldete Zinsentschädigung rechtlich unbeanstandet doppelt so hoch sein wie der entstandene wirtschaftliche Nachteil der Bank. Weil von dieser Form der Darlehensabrechnung vielfach Gebrauch gemacht wurde, erfanden geschäfts-tüchtige Institute – Vorreiter damals die Münchener Hypothekenbank – das Forwarddarlehen.

Somit kann sich ein Bauherr die aktuell günstigen Darlehenskonditionen, auch ohne eine Zinsentschädigung zahlen zu müssen, jederzeit sichern. Das Altdarlehen wird einfach bis zum Ende der Zinsbindungsfrist weiter bedient und gleichzeitig ein Forwarddarlehen vereinbart. Der Kunde zahlt dafür entweder einen Forwardaufschlag auf den günstigen Zinssatz oder eine einmalige Gebühr. Der Markt hat auf diese Weise selbst einen Weg gefunden, sich von den überhöhten Vorfälligkeitsentgelten zu befreien.

II. Der Berechnungszeitraum für die Zinsentschädigung eines Forwarddarlehens

Doch das Zinsentschädigungsproblem offenbart sich nunmehr in einem neuen Gewande. Weil sich die Darlehenskonditionen in den letzten Jahren weiter vergünstigten, hatten die damaligen Forwardkunden den günstigsten Umfinanzierungszeitpunkt verpasst. Heute nach Ablauf der Zinsbindungsfrist ihrer Altdarlehen stehen diese Kunden in der Pflicht, das Vorausdarlehen, dessen Zinsbindungsfrist nunmehr beginnt, abzunehmen, möchten aber viel lieber ein Darlehen zu aktuellen Konditionen aufnehmen, denn nicht nur der weiterhin gesunkene Marktzins macht das Forwarddarlehen teuer, sondern auch der darauf noch zu entrichtende Forwardaufschlag. Bisweilen kommt es aber auch vor, dass die Forwarddarlehen deshalb nicht mehr in Anspruch genommen werden, weil die finanzierte Immobilie verkauft wurde.

Es können sich geradezu existenzbedrohende Ablösungsszenarien ergeben. Hat bspw. ein Kunde drei Jahre vor dem Auslaufen der Zinsbindungsfrist seines Altdarlehens ein Forwarddarlehen mit einer Festschreibungsfrist für den Zinssatz von 15 Jahren geschlossen und stellt sich unmittelbar nach der Vertragsunterzeichnung ein besonderes Ereignis wie der Verlust des Arbeitsplatzes oder eine Versetzung, eine schwere Krankheit, die Trennung der Lebenspartner o.Ä. ein, so neigen die Darlehensgeber dazu, den Kunden bei Ablösung der Darlehen mit zwei Zinsentschädigungen zu belasten: eine für das Altdarlehen, eine weitere für das Forwarddarlehen.

Der Zeitraum, über den dann die beiden Zinsentschädigungen seitens der Bank gefordert werden, erreicht mitunter eine Länge von 18 Jahren. Damit stellt sich die Frage, ob hier nicht ein Verstoß gegen das zwingende Recht des § 489 Abs. 1 Nr. 3 BGB vorliegt, der vorsieht, dass ein Darlehen spätestens nach zehn Jahren unter Einhaltung einer Frist von sechs Monaten (zusammen 10,5 Jahre) zur Rückzahlung gekündigt werden kann.

Ausweislich der Gesetzesmaterialien zur Begründung der o.a. Vorschrift wollte der Gesetzgeber mit der Vorschrift verhindern, dass ein wesentliches Element der sozialen Marktwirtschaft, nämlich die wirtschaftliche Bewegungsfreiheit der Darlehensnehmer nicht über Gebühr eingeschränkt wird. Für die Vorfälligkeits- und die Nichtabnahmeentschädigung ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung anerkannt, dass sie jeweils nur für solche Zeiträume verlangt werden darf, innerhalb derer es dem Kunden verwehrt ist, sein Darlehen zu kündigen. Das ist aber stets nach 10,5 Jahren der Fall. Somit wird für das Forwarddarlehen nicht über 15, sondern nur über 10,5 Jahre die Entschädigung geschuldet. Der Gesamtzeitraum verkürzt sich damit schon um 4,5 auf 13,5 Jahre. Das ist rechtlich unumstritten.

Jedoch ist die wirtschaftliche Bewegungsfreiheit auch mit 13,5 Jahren unangemessen beeinträchtigt. Es sind immer noch drei Jahre mehr als der Gesetzgeber erlaubt. Eindeutig dürfte die Rechtslage sein, soweit ein und dieselbe Bank sowohl Alt- als auch Vorausdarlehen gewährte. Ihr steht eine Entschädigung für beide Darlehen über insgesamt maximal 10,5 Jahre zu.

Was aber gilt, wenn Altdarlehensgeber und Forwarddarlehensgeber auseinanderfallen? Darf dann der Forwarddarlehensgeber eine Entschädigung über 10,5 Jahre, gerechnet ab dem Termin der Auszahlung des Termindarlehens verlangen, oder muss er sich mit einer Entschädigung über 10,5 Jahre, gerechnet ab dem Abschluss des Vorausdarlehensvertrags bescheiden? Bei einer dreijährigen Vorlaufzeit verblieben dann nur noch 7,5 Jahre für die eigentliche Entschädigung.

Die gesetzliche Bestimmung des § 489, Abs. 1 Nr. 3 BGB bleibt insoweit unklar. Dort steht nämlich geschrieben, dass sich der Beginn der zehneinhalbjährigen Kündigungsfrist am vollständigen Empfang des Darlehens zu orientieren habe. Wird dagegen eine neue Zinsbindungsfrist vereinbart, so trete der Zeitpunkt der Vereinbarung an die Stelle des Termins des vollständigen Empfangs der Darlehensvaluta.

Empfängt also der Kunde die Darlehensvaluta nochmals neu, wenn Bank F, die das Forwarddarlehen gewährt, das Restkapital des Altdarlehens an Bank A überweist? Tatsächlich empfängt der Kunde natürlich nichts: Aufhebung des Altgeschäfts und Initialisierung des Neugeschäfts wickeln die Banken untereinander ab. Somit käme es auf den Zeitpunkt der Vereinbarung an, der lag aber im gewählten Beispiel drei Jahre vor dem Termin der Auszahlung des Forwarddarlehens. Mit dieser Argumentation gelangt man auf eine Zinsentschädigung über einen Gesamtzeitraum von 10,5 Jahren für beide Darlehen.

Fingieren die Gerichte dagegen den tatsächlich nicht stattfindenden Empfang der Darlehenssumme des Forwarddarlehens beim Darlehensnehmer, so wäre die Zinsentschädigung ab dem Zeitpunkt der Ingangsetzung des Vorausdarlehens zu rechnen. Der Gesamtzeitraum verlängerte sich auf 13,5 Jahre.

Wenn die vom Gesetzgeber gewollte wirtschaftliche Bewegungsfreiheit des Darlehensnehmers wirklich ernst genommen würde, so dürfte sich die Entschädigung nur auf einen Gesamtzeitraum von 10,5 Jahren beschränken, denn für einen Darlehenskunden macht es keinen Unterschied, ob er durch eine einzige Bank oder mehrere Institute zusammen in seiner wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit beschränkt wird.

III. Fehlerhafte bankliche Schadensberechnungen bei Forwarddarlehen

Gleichwohl stellt die vorzeitige Aufhebung von Forwarddarlehen im Verhältnis zu anderen Immobiliendarlehen zurzeit noch einen Ausnahmefall dar. Die betroffenen Institute tun sich auch aus diesem Grund noch schwer, die Zinsentschädigung zu berechnen. Die einschlägigen Programme zur Vorfälligkeits- und zur Nichtabnahmeentschädigung lassen sich schon aus methodischen Gründen nicht auf die Berechnungen einer Forwarddarlehensentschädigung anwenden, wenn die Nichtabnahme des Forwarddarlehens bereits vor seiner Auszahlung erklärt wird.

Wenn eine Bank ein normales Immobiliendarlehen gewährt, das bspw. beginnend ab März 2009 hätte abgenommen werden können, der Kunde sodann nach Ablauf der maximalen Bereitstellungsfrist im Oktober 2009 erklärt, dass er dieses Darlehen nicht mehr abnehmen wird, so hat sich die Bank bei ihren Berechnungen am sog. ausfallenden Zahlungsstrom zu orientieren. Nicht erlangen wird die Bank die Monatsraten ab Oktober 2009 bis zum Ende der Zinsbindungsfrist, ebenso nicht erlangen wird sie das am Ende der Zinsbindungsfrist fällige Restkapital, das der Kunde zurücküberweisen würde. Stattdessen behält sie im Oktober 2009 das Darlehenskapital, denn das muss sie nicht mehr auszahlen. Mit diesem unplanmäßig einbehaltenen Darlehenskapital kann sie Wiederanlagegeschäfte tätigen. Da dieses Kapital jedoch nicht ausreicht, alle Zahlungen des ausfallenden Zahlungsstroms zu kompensieren, verlangt sie überdies die Nichtabnahmeentschädigung.

Wenn eine Bank aber bei der Forwarddarlehensentschädigung in der gleichen Weise vorgeht, sie also behandelt wie eine Darlehensnichtabnahme – das tun fast alle Institute –, so verschafft sie sich einen Vorteil, denn die Nichtabnahmekalkulation unterstellt, dass nach dem Zeitpunkt der Erklärung der Nichtabnahme der Kunde verpflichtet gewesen wäre, das Darlehenskapital zu verzinsen und darauf seine monatlichen Raten zu entrichten. Das aber ist bei einem Forwarddarlehen, dessen Nichtabnahme noch während der Vorlaufzeit erklärt wird, nicht der Fall. Tatsächlich hätte die Bank bis zum Ende der Vorlaufzeit keinen Anspruch auf Darlehensraten und –verzinsung gehabt. Mithin kann sie diese auch nicht als Schaden verbuchen und ersetzt verlangen.

Bankkunden kann nur dringend empfohlen werden, die Zinsentschädigungsabrechnungen der Institute von sachverständiger Seite prüfen zu lassen.

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